Europäische Wohlstandsvernichtung als Ziel der Russlandsanktionen

Der Westen versucht Russland mit Sanktionen in die Knie zu zwingen. Experten haben einen Absturz der russischen Wirtschaft prognostiziert. Der ist aber nicht eingetreten, stattdessen droht Europa ein Desaster bis hin zur Zerstörung ganzer Industrie- und Wirtschaftszweige. Die Sanktionen haben sich gemeinsam mit der Energiewende zu einem gigantischen Wohlstandsvernichtungsprogramm hochgeschaukelt. Ist das ein Kollateralschaden oder das eigentliche Ziel der Sanktionen?

Ungarns Premier Viktor Orbán spricht oft aus, was in Brüssel und Berlin niemand hören möchte. Auch bei den vom Westen gegen Russland verhängten Sanktionen legt er den Finger in die Wunde: Die EU werde, so seine Einschätzung in einem Interview, nach dem Ukraine-Krieg schwächer als zuvor dastehen, während andere Länder von den Sanktionen massiv profitieren würden. Für Orban sind folgende Gründe für diese Einschätzung ausschlaggebend: Der Westen könne den Krieg in der Ukraine militärisch nicht gewinnen, die Sanktionen würden nicht greifen, ihr Schaden für Europa sei enorm und nur der Westen stünde hinter den Sanktionen. Orban: „Ein großer Teil der Welt stellt sich demonstrativ nicht dahinter: die Chinesen, die Inder, die Brasilianer, Südafrika, die arabische Welt, Afrika. Es ist leicht möglich, dass es dieser Krieg sein wird, der auf demonstrative Weise der westlichen Übermacht ein Ende bereitet.“

Was Orban anspricht, zeichnet sich schon jetzt deutlich ab. Der Ukraine-Krieg macht die neu gezogenen geopolitischen Front- und Bruchlinien deutlich sichtbar. Und sie verlaufen anders als es ich der Westen erhofft hat. Auf der einen Seite jene Staaten, die hinter den Sanktionen stehen: USA, Kanada, die EU, Australien, Südkorea, Taiwan und mit Einschränkungen Japan. Im Wesentlichen die westlichen Industriestaaten, die G7. Die Vertreter der alten atlantischen Weltordnung. Der Rest der Welt hat nicht mitgezogen. Dieser „Rest“ verfügt nicht nur über einen Großteil aller weltweiten Rohstoffreserven, in diesen Staaten lebt mit weit über sieben Milliarden Menschen auch der Großteil der Weltbevölkerung, während der Westen und seine wenigen verbliebenen Verbündeten auf rund eine Milliarde kommen. Denkbar ungünstige Voraussetzungen für Sanktionen, vor allem gegen eine Macht, die über derart große Rohstoffvorkommen verfügt. Wirtschaftlich stellt sich die Situation – noch – anders dar. Das BIP der G7-Staaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und USA) ist um fast 50 Prozent größer als das der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Doch Indien, Brasilien und China gehörten in den vergangenen Jahren zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften, während die EU dank der Brüsseler Umverteilungs- und Schuldenpolitik seine globale Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Die EU fällt technologisch und wirtschaftlich immer weiter zurück. Kein einziges europäisches Unternehmen findet sich mehr unter den 15 führenden Technologiekonzernen der Welt.

Was den weltweiten Handel betrifft, hat China seit langem die Nase vorne. Es exportiert mehr Waren als die USA und Deutschland zusammen. Beim Anteil am Welthandel liegen die G7- und die BRICS-Staaten beinahe gleich auf. Rechnet man die anderen Länder, die die Sanktionen nicht mittragen, hinzu, kommen die Schwellen- und Entwicklungsländer auf rund zwei Drittel es Welthandels. Auch das sind keine guten Voraussetzungen für die  Sanktionen, nicht für den Westen und schon gar nicht für Europa, das nicht nur massiv von Rohstoffen aus Russland, sondern auch von Importen aus China (Medikamente, Elektronik, Computer, industrielle Vorprodukte etc.) abhängig ist. Die Importe aus China und das deutsche Defizit im Handel mit der Volksrepublik haben im ersten Halbjahr 2022 neue Rekordwerte erreicht.

Wenn man jemanden wirtschaftlich aushungern möchte,  muss man in der Lage sein, ihn abzuschotten. Wie bei einer Belagerung. Hat man nur einen halben Belagerungsring um die Stadt gezogen, ist das Vorhaben von Anfang an zum Scheitern verurteilt, wie die westlichen Sanktionen gegen Russland und seine (neuen) strategischen Partner. Putin kann, während Europa seine Sanktionen weiter verschärft, Schritt für Schritt seine ehemaligen europäischen Abnehmer durch neue aus Asien ersetzen. Das ist gleichzeitig eine sinnvolle Investition in Russlands Zukunft. Die gestiegenen Energiepreise kompensieren die aktuellen Verluste. Der russische Staatskonzern Gazprom freut sich trotz der gedrosselten Lieferungen nach Europa über Rekordeinnahmen.

Das sind die Gründe, warum Russlands Wirtschaft weit weniger als vom Westen erhofft unter den Sanktionen leidet. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten titeln sogar: „Russlands Wirtschaft brummt“. In den Monaten April bis Juni lag die russische Wirtschaft um vier Prozent unter dem Vorjahr. Das ist zwar ein Einbruch, doch er ist weit von jenen 35 Prozent entfernt, den US-Experten, etwa von der Investmentbank JPMorgan, Putin prophezeit haben.

Während sich die negativen  Auswirkungen der Sanktionen auf das Leben der Russen in Grenzen halten, müssen die Politiker in der EU und insbesondere im energiegewendeten Deutschland ihre Bürger auf eine Art Kriegswinter vorbereiten: weniger heizen, kürzer duschen, Verdunkelung in den Städten etc. Die Regierung in Berlin fürchtet sich vor „Volksaufständen“ und einem „Wut-Winter“. Wem die Sanktionen mehr schaden, ist angesichts solcher Entwicklungen offensichtlich, trotzdem hält man an ihnen fest.  

So war das nicht geplant. Zumindest nicht von den Europäern. Die Ursachen für diesen gezielten Schuss ins eigene Knie sind die maßlose Selbstüberschätzung, Hypermoral  und ´eine schwere linksideologische Schlagseite des europäischen Establishments. Europa ist der selbsternannte Weltmeister der Moral, inszeniert sich als globaler Anführer der Klimaretter, weil es niemand sonst sein will, und verfügt kaum noch über reale Macht (Hard Power).  Die Sanktionen gegen Russland haben den Niedergang Europas und die geopolitischen Machtverschiebungen vom Atlantik zum Pazifik massiv beschleunigt. Das zeigt u.a. der aktuelle Deal zwischen Russland und dem Iran. Moskau und Teheran handeln aktuell eine Partnerschaft bei der Vermarktung von Öl aus. Wenn sich der Iran mit dem Westen auf ein neues Atomabkommen einigt – und es sieht danach aus – fallen auch viele Sanktionen gegen den Iran. Gleichzeitig setzt die EU mit Dezember das Öl-Embargo gegen Russland vollständig in Kraft. Deshalb will Putin künftig sein Öl über das Kaspische Meer in den Iran exportieren, von dort  aus wird es entweder als iranisches Öl auf den Weltmärkten verkauft oder der Iran deckt seinen gewaltigen Inlandsbedarf mit russischem Öl und verkauft seines. So oder so, beide Staaten profitieren von dem Deal und das Öl, das die EU nicht mehr direkt aus  Russland bezieht, landet über solche Umwege mit einem Aufschlag trotzdem in Europa. Moskau und  Teheran wollen auch im Erdgas-Bereich kooperieren. Der Iran verfügt nach Russland über die weltweit größten Erdgasreserven. Solche Allianzen und Partnerschaften müssten  bei der EU alle Alarmglocken läuten lassen, doch die linken Ideologen in Brüssel und Berlin glauben an die Energiewende. Windräder, Solarzellen und kürzer duschen sollen schon bald Öl, Gas und Atomkraft ersetzen.

Noch einmal Victor Orban: „Von den Umwälzungen werden jene profitieren, die über eigene Energiequellen verfügen.“ Die EU gehört– im Gegensatz zu den Amerikanern – nicht dazu. Sie hat sich trotz dieser denkbar schlechten Voraussetzungen ohne Sicherheitsnetz in das Sanktionsabenteuer gestürzt und bekommt nun die Rechnung präsentiert. Bei Deutschland kommen Energiewende und Atomausstieg erschwerend hinzu, die die negativen Folgen der Sanktionen noch potenzieren und große Teile der deutschen Industrie zerstören könnten. Zwar bedeuten diese Entwicklungen langfristig auch das Ende der weltweiten Dominanz der USA, derzeit profitieren die amerikanischen Energiekonzerne aber von den Folgen des Ukraine-Kriegs und der  Sanktionen, wie die Vervielfachung der Gewinne bei Chevron, ConocoPhillips und Exxon zeigen.

Andrew Korybko, ein in Russland lebender amerikanischer Politologe schreibt: „Die beispiellosen Sanktionen des US-geführten Westens haben die wirtschaftlich-finanzielle Grundlage der schwindenden unipolaren Hegemonie der USA kontraproduktiv getroffen. Die Welt befindet sich in einem Übergang zu komplexerer Multipolarität – oder Multiplexität.“ Soll heißen, nicht mehr eine oder zwei Supermächte, sondern viele Player konkurrieren auf der Weltbühne um Macht, Einflusssphären, Ressourcen etc. Im Sommer hatte Putin als Gegenveranstaltung zum G7-Treffen in Bayern zu einer virtuellen Konferenz der BRICS-Plus-Staaten eingeladen. Das „Plus“ steht für den Iran und Argentinien, die beide dem Bündnis beitreten wollen. Dieser Zusammenschluss ist für sie attraktiv, weil man mit Russland als Partner günstig an Öl und Gas kommt. Wie das bis vor kurzem auch bei Europa  der Fall war. Zudem werden die Mitglieder dieses aufstrebenden „Wirtschaftsklubs“ nicht vom Westen bevormundet und mit seinen Moralvorstellungen und Klimaschutz etc. belästigt, was die Länder in Afrika und Lateinamerika zu schätzen wissen.

Je länger die Sanktionen andauern, desto mehr Zeit und Motivation hat Putin, neue Strukturen im Osten aufzubauen. Pipelines, Verkehrswege, Häfen, Logistik und Handelsströme neu auszurichten. Davon wollen auch andere Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika profitieren, in denen  China schon seit  längerem aktiv ist. Der Westen büßt mit seinen Sanktionen Einflusssphären  in diesen Regionen ein, er hat Projekten  wie der neuen Seidenstraße, in die China rund eine Billion Dollar weltweit investiert, wenig entgegenzusetzen. Und die gescheiterten  Sanktionen  zeigend diesen  Ländern, dass der Westen schwach geworden ist.

Europa als unbedeutende Halbinsel an der westlichen Peripherie Eurasiens.

Europa beschleunigt mit seinen selbstschädigenden Russland-Sanktionen seinen Abstieg zur unbedeutenden Halbinsel an der westlichen Peripherie Eurasiens. Weit weg vom Reich der Mitte. Die Sanktionen sind neben Massenzuwanderung, Energiewende, Deindustrialisierung, Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit, der expansiven Geldpolitik ein zusätzlicher Multiplikator des Niedergangs. Wenn Europa realisiert, wie groß seine Abhängigkeit von Russland und China tatsächlich ist, wie sehr sich die globalen Machtverhältnisse zu seinen Ungunsten verschoben haben, wird es zu spät sein. Dass Windräder und die dreihundertste, von der EU ausgerufene, planwirtschaftlich gelenkte Digitalisierungsoffensive diese Abhängigkeit nicht beenden, sondern vergrößern, wird Europa in den kommenden Monaten schmerzhaft erfahren.

In der Zwischenzeit hat Putin jene Strukturen geschaffen und Allianzen geschmiedet, die er braucht, um Europa, dessen Hypermoral und Heuchelei er so hasst, links liegen lassen zu können. Ein Zurück gibt es für die EU nicht, und wenn, nur zu einem extrem hohen Preis.

0
    0
    Warenkorb
    Der Warenkorb ist leerZurück zum Shop