Nachzügler im Weltretten
Schule schwänzen für den guten Zweck. Kinderstar Greta Thunberg beehrt Österreich. Wer den Klimagottesdienst streikender Kindergruppen mit Argumenten stört, gilt als Bösewicht und Menschenfeind.
Jetzt ist es auch in Österreich soweit. Am Freitag gehen Schüler in sieben Städten für das Klima auf die Straße. Koordiniert werden die Demonstrationen auch hierzulande von einer Bewegung mit dem kreativ-klangvollen Namen „Fridays for Future“. Die Organisatoren dieser Protestveranstaltung sind ein Physikstudent und eine Naturschützerin, die interessierte Jugendliche via soziale Netzwerke und Schülerorganisationen rekrutieren.
Angespornt von dem 16-jährigen Kinderstar Greta Thunberg, die Schulschwänzen für den guten Zwecke, konkret für die Klimarettung, weltweit salonfähig gemacht hat. Spätestens seit ihrem Auftritt bei der UN-Klimakonferenz in Katowice hat Greta den politmedialen Komplex endgültig in religiöse Ergriffenheitsstimmung versetzt. Das PR-Potential von Kindern als Klima-Testimonials hat sich herumgesprochen, mittlerweile gibt es in 90 Ländern regelmäßig Schülerstreiks zu diesem Thema. Österreich ist wie immer Nachzügler. Auch im Retten der Welt.
Die Erkenntnis hat sich verhärtet, dass man politische Botschaften viel wirkungsvoller in Umlauf bringen kann, wenn Kinder mit roten Wangen und Protestschildern paradieren. Welcher herzlose Mensch widerspricht schon einem Mädchen, das mit ergriffener Stimme ihre Angst vor der Zukunft ausspricht? Alleine der Schutzinstinkt gegenüber Minderjährigen, die der Fürsorge bedürfen, verbietet es, mit Argumenten zu antworten.
Sobald sich Mitgefühl und Betroffenheit in den Diskurs mischen, wird jegliche kritische Äußerung von vornherein abgekanzelt. Nur Bösewichte würden den Klimagottesdienst stören und inmitten streikender Kindergruppen an fossilen Brennstoffen festhalten. Besonders emotional wird es im Falle von Greta, wenn man erfährt, dass sie seit ihrem elften Lebensjahr an Depressionen leidet, Diagnose Autismus, und sie nun den Kampf gegen den Klimawandel in Angriff nimmt, weil sie die Welt ohne Graustufen sieht. Besondere Rücksichtnahme ist geboten. Widerrede dezidiert ausgeschlossen.
Die Arbeit der österreichischen Organisation hat gefruchtet. Ganze Klassen und sogar Schulen planen, am Streik teilzunehmen. Dass es kein generelles Streikrecht für Schüler gibt und Demos kein Entschuldigungsgrund sind, darf der Mission nicht im Weg stehen. Es geht schließlich um die Zukunft der Menschheit, um unseren Planeten, um alles. Jeder, der dem nicht ausnahmslos applaudiert, muss bestenfalls damit rechnen, als Kinderhasser bezeichnet zu werden, im äußersten Fall droht das Stigma Klimaleugner und damit die sofortige gesellschaftliche Quarantäne.
Was die Klimaforderungen kosten, was sie tatsächlich bringen und wer sie finanziert, spielt bei der religiös aufgeladenen Diskussion kaum eine Rolle. Es weiß zwar niemand, wie lange es noch wärmer werden wird und inwiefern der Mensch das Weltklima überhaupt beeinflussen kann, aber wenn kleine Kinder unter den Augen der Weltpresse wie mittelalterliche Bußprediger auftreten und ihr Klimaprojekt verlautbaren, ist der Meinungskampf entschieden. Dafür sorgen auch die medialen Reaktionen. Als hätten die Presse nur auf den Auftritt des Mädchens gewartet, um dem Totalumbau der Energieversorgung und des Wirtschaftsmodells noch mehr Titelseiten widmen zu können.
Greta ist eine Heldin, eine Erlöserfigur, sie reist als Klima-Aktivistin und Anklägerin durch die Welt und berät Politiker und Mächtige. Ihr wurde vor Kurzem sogar die Ehre zuteil, am Davoser Wirtschaftsforum zu sprechen. Sie fordert Maximales, als Kind muss sie sich ja auch nicht mit der Frage beschäftigen, woher der Strom kommen soll, sobald das letzte Kohlekraftwerk schließt. Es geht wie so oft bei gesellschaftlichen und politischen Debatten um Emotionen. Nicht um sachliche Auseinandersetzung oder gar Inhalte. Es bleibt zu hoffen, dass die marschierenden Schüler wenigstens den Unterschied zwischen Klima und Wetter kennen.