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Grönland: Europa im Machtkampf um Arktis am Abstellgleis

Donald Trump will Grönland an die USA angliedern. Selbst militärische Mittel hat er nicht ausgeschlossen. Das hat in Europa für großes Entsetzen gesorgt. Doch mehr als Sprechblasen, leere Drohungen und Symbolpolitik hat Europa nicht mehr aufzubieten. Der Streit um Grönland zeigt, wie bedeutungslos die EU geworden ist.

Um die geostrategische Bedeutung Grönlands erfassen zu können, sollte man sich keine Weltkarte, sondern einen Globus ansehen. Das verändert die Perspektive, die Distanzen in der arktischen Region lassen sich besser einschätzen. Zwischen Russland und den USA liegen Kanada und eben Grönland, die größte Insel der Welt. Sie ist beinah menschenleer, auf über 2 Millionen Quadratkilometern – das ist die sechsfache Fläche von Deutschland – leben gerade einmal 56.000 Grönländer. Ein gutes Drittel davon in der Hauptstadt Nuuk.

Seit über 150 Jahren versuchen die USA sich Grönland einzuverleiben. Der erste diesbezügliche Versuch datiert auf das Jahr 1868. US-Außenminister William H. Seward bot der dänische Regierung 5,5 Millionen Dollar. Ein Deal kam aber nie zustande. 1910 diskutierte der US-Botschafter in Dänemark, Maurice Francis Egan, über den Erwerb Grönlands. Zu formellen Verhandlungen kam es aber nicht. 1946 wollte Präsident Harry Truman die Insel für 100 Millionen Dollar in Gold kaufen. Kopenhagen lehnte ab. 2020, während seiner ersten Amtszeit, hatte Trump ebenfalls versucht Grönland zu kaufen. Was damals noch wenig konkret war, hat er nun kurz vor Antritt seiner zweiten Amtszeit nachdrücklicher und konkreter formuliert. Selbst wirtschaftliche und/oder militärische Maßnahmen hat er nicht ausgeschlossen.

Konfliktzone der Weltmächte

Grönland hatte und hat große Bedeutung für die USA. Und diese ist in den vergangenen Jahren aus mehreren Gründen enorm gestiegen. Einer davon ist China. Peking unternimmt seit über 20 Jahren Anstrengungen, um in der Arktis Fuß zu fassen und ein Machtfaktor in dieser Zukunftsregion zu werden.

Einerseits, weil in der Arktis, insbesondere in Grönland, gewaltige Rohstoffreserven lagern, andererseits, weil sie eine wichtige Zone für mögliche Großmachtkonflikte ist. Darüber hinaus wird die arktische Region für Handels- und Verkehrsrouten immer bedeutender. Seit Ende das vergangenen Jahrhunderts versucht deshalb China mit Arktis-Anrainerstaaten Kooperationen einzugehen, etwa im Bereich von Wissenschaft und Forschung. 2003 hat China im norwegischen Spitzbergen seine erste Forschungsstation in der Arktis gegründet. Auf Drängen Pekings wurde China 2013 als Beobachter in den Arktischen Rat aufgenommen, in dem nur die 8 Arktis-Anrainer feste Mitglieder sind. Chinas Staatschef Xi Jinping hat wesentlich deutlicher als Trump seine Machtansprüche bezüglich der Arktis artikuliert. Er wolle China bis 2030 zu einer „great polar power“ machen. Bereits 2015 tauchten erstmals Schiffe der Volksbefreiungsarmee vor der Küste Alaskas auf, seither zeigt China in der arktischen Region militärische Präsenz.

Polare Seidenstraße

Peking investiert zudem kräftig in Grönland, in Flughäfen, Häfen und Minen. Größere Projekte zum Abbau von Rohstoffen scheiterten bisher am Widerstand der grönländischen Regierung. Neben Rohstoffen ist die Arktis für China und die anderen Großmächte auch als Verkehrsweg von enormer Bedeutung. Die „polare Seidenstraße“ ist ein Projekt zum Ausbau des chinesischen Infrastruktur- und Handelsnetzes. Die potenziellen Schiffsrouten verlaufen unter anderem westlich von Grönland entlang der kanadischen Küste. Eine Erschließung der Arktis könnte die Transportzeiten zwischen Asien, Europa und Amerika um die Hälfte verkürzen. Um die Kontrolle dieser geplanten Routen und der förderbaren Rohstoffe bahnen sich Konflikte zwischen den USA, China und dem größten Arktis-Anrainerstaat, Russland, an.

Sollte in den kommenden Jahren die Eisdecke tatsächlich nennenswert zurückgehen, würde die Bedeutung der Arktis gewaltig steigen. Sowohl in Bezug auf die  Handelsrouten als auch  auf die  Rohstoffförderung. Unter dem Eis von Grönland lagern 25 von insgesamt 34 Rohstoffen, die die EU als strategisch wichtig identifiziert hat. Dazu zählen seltene Erden, Zink, Gold, Platin, Lithium, Eisenerz und Uran.

Deshalb treffen in der Arktis die Interessen der USA, Chinas und Russlands direkt aufeinander. Keine Rolle in der Region spielt hingegen die EU, obwohl sie Anrainer ist – gleich drei EU-Staaten sind im Arktischen Rat vertreten Dänemark (für Grönland), Schweden und Finnland. Obwohl Grönland nicht zur EU gehört, es ist 1985 ausgetreten, müsste die Europäische Union ein massives Interesse daran haben, dass Grönland via Dänemark in seiner Einflusssphäre bleibt, es das rohstoffreiche Land weder an die USA noch indirekt an China verliert.

Europa  auf verlorenem Posten

Dafür ist die EU aber zu schwach, ist nicht in der Lage, eine glaubwürdige militärische und/oder wirtschaftliche Drohkulisse aufzubauen. Weshalb sich die europäischen Regierungen im nunmehrigen Konflikt um Grönland auf Warnungen und Symbolpolitik beschränken müssen. König Frederik X. hat das dänische Wappen ändern lassen. Er ließ die drei Kronen durch einen Polarbär und einen Widder als Symbole für Grönland und die Faröer Inseln ersetzen. Damit will Dänemark signalisieren, dass das autonome dänische Gebiet Territorium des dänischen Königreichs bleiben soll. Viel mehr hat  Dänemark den USA nicht entgegenzusetzen. Auch die Ankündigungen Dänemarks, seine Militärpräsenz in Grönland zu erhöhen, klingen  angesichts der derzeit dort stationierten 75 Soldaten (!) wenig bedrohlich. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen betonte, dass Grönland weder zum Verkauf stehe noch sich die Grönländer verkaufen lassen wollen. Außenminister Lars Løkke Rasmussen kam hingegen den USA entgegen und sprach von „legitimen amerikanischen Interessen in der Arktis“, zu denen man gerne mit Washington in einen Dialog treten möchte.

Grönlands Regierungschef Múte B. Egede, der in seiner Neujahrsansprache erneut für die Unabhängigkeit Grönlands geworben und von den „Fesseln des Kolonialismus“ gesprochen hatte, nützt den Konflikt, um auf Distanz zu Dänemark zu gehen: „Wir wollen keine Dänen sein. Wir wollen keine Amerikaner sein. Wir wollen Grönländer sein“, so Egede. Allerdings fügte er hinzu, sei man an einer engeren Zusammenarbeit mit Washington interessiert.

Zudem hat ein aktuelle Umfrage ergeben, dass eine Mehrheit der Grönländer kein Problem damit hätte, Teil der USA zu werden. Die EU kann diesen Entwicklungen nur mehr oder weniger tatenlos zusehen. Es spielt in diesem Konflikt praktisch keine Rolle mehr, auch wenn das verschiedene Staatschefs mit markigen Worten zu kaschieren versuchen: „Es steht außer Frage, dass die Europäische Union es nicht zulassen würde, dass andere Nationen der Welt ihre souveränen Grenzen angreifen würden, wer auch immer sie sind“, betonte etwa der französische Außenminister Jean-Noel Barrot. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zu Wort gemeldet. „Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land – egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen. Daran muss sich jeder Staat halten – egal ob es ein kleines Land ist oder ein sehr mächtiger Staat.“ Und, wenn nicht? Was dann?

Lächerliche Drohungen

Mehr als mahnen, warnen, appellieren und Sprüche klopfen, kann man nicht. Und militärische Drohungen, wie sie der französische Außenminister mit den Worten „nicht zulassen“ zumindest angedeutet hat, werden wohl nicht einmal innerhalb der EU ernst genommen. Da war Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ehrlicher und realistischer. Er fragte sich: „Also Entschuldigung, wo leben wir eigentlich?“ Er hat damit sein Erstaunen zum Ausdruck gebracht, dass sich die Zeiten und die (Macht-)Verhältnisse in der Welt offenbar dramatisch geändert haben. Schön, dass man das auch in Deutschland und der EU langsam zur Kenntnis nimmt. Ja, Europa gibt auf der Weltbühne nur noch den Moral-Clown, den keiner ernst nimmt. Dafür ist die aktuelle Diskussion um Grönland ein schönes Anschauungs- und Lehrbeispiel.

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