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Der Gefallene

Es besteht kein Zweifel, dass Heinz-Christian Strache nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos politisch das Weite suchen musste. Sein jähes Ende als Vizekanzler und Parteiobmann war obligatorisch und stand nie zur Debatte. Ebenso wenig die Methoden, die zu seinem Fall führten.  

Wirklich alle sind sich einig, dass er gehen musste. Sein Rücktritt von allen Ämtern war ein Akt der Selbstverständlichkeit und zu keiner Zeit fakultativ. Der Hauptdarsteller aus dem vor der Nationalratswahl aufgenommenen Video musste politisch das Weite suchen, umgehend und konzessionslos. Die kurz vor der EU-Wahl veröffentlichten Ibiza-Aufnahmen waren ein gerader Schnitt, ein Schlusspunkt für Heinz-Christian Strache. Er hat die Hosen heruntergelassen. Sein Abgang war unausweichlich, stand auch nie zur Debatte, ebenso wenig die Art und Weise, wie man ihn zu Fall brachte.

Angriffsfläche hat er genügend geboten, zweifellos, dankbar und mit zunehmender Boulevardisierung wurde diese auch vom politischen Mitbewerb und von Meinungsmachern genutzt. Bis Mai 2019 überlebte Strache die Angriffe relativ unbeschadet. Vermeintliche Enthüllungen, Verdächtigungen, breite mediale Kampagnen gegen seine Person und Partei konnten ihm wenig anhaben. Das Gröbste konnte er stets abwehren. Darin war er konkurrenzlos. Seine Turnübungen im Tarnanzug, sein jugendliches Treiben im Wald, seine  Paintballtreffen sind bis heute noch Aufhänger für Titelgeschichten. Straches Erfolg als Parteichef stellten dessen Vergangenheit aber in den Schatten.

Als Politiker war er nie ein Freund der feinen Klinge, für eine distinguierte Sprache und konziliante Auftritte war er eher wenig bekannt. Das wiederum spielte ihm als Oppositionsführer in die Hände. Strache hatte, nüchtern betrachtet, einfach Erfolg. Das Programm war klar, die Führung straff, der Weg nach oben zeichnete sich über die Jahre ab. Er einte eine Partei, die nach mehreren Suizidversuchen am Boden lag, und führte die Freiheitlichen zu alter Haider-Größe zurück. Und schließlich sogar in die Regierung.

Seine Arbeit als Vizekanzler und Minister für öffentlichen Dienst und Sport war unauffällig, blieb frei von Skandalen. Dem Showtalent des Jungkanzlers konnte Strache für gewöhnlich nur wenig entgegenstellen, dafür setzte er Themen durch, die mehr und mehr in die Mitte rückten. Er hatte sich seinen Platz im Vizekanzleramt eingerichtet, mit Argumenten oder Vorwürfen konnte man ihn nicht gefährden. Erst eine geheimdienstlich inszenierte Falle, ein Video warf Strache aus dem Amt. Medial aufbereitet und veröffentlicht wenige Tage vor der EU-Wahl.                     

Dahinter steckte der durchsichtige Versuch, eine Partei mit in den Abgrund zu ziehen, die bis eine Woche vor der EU-Wahl stark im Rennen lag. Der Auftrieb während des Wahlkampfes, die Positionierung des FPÖ-Spitzenkandidaten, nicht zuletzt die gesamte Kampagne verleiteten nicht wenige Beobachter zu kühnen Prognosen. Sogar der Kampf um Platz eins wurde zwischenzeitlich ausgerufen. Die vermutete Erstarkung EU-kritischer Kräfte bewegte etablierte Wortführer laufend zu nervösen Reaktionen, über die Grenzen hinweg. Die Alarmsirenen waren im Dauerbetrieb. Dann plötzlich die Entwarnung. Zwei deutsche Medien haben für sich in Anspruch genommen, für das österreichische öffentliche Interesse und darüber hinaus wirksam zu werden. Der Verstoß gegen deutsches Strafrecht wurde in Kauf genommen. Ebenso das Risiko, eine Wahl zu beeinflussen, die zur Richtungswahl für die Zukunft Europas hochstilisiert wurde.   

Der Videoinhalt, konkret: die ausgewählte und der Öffentlichkeit bekannte Sequenzenfolge, füllt Leitartikel, Meinungsseiten und Kommentare. Ganze Essays beschäftigen sich mit medienethischer Verantwortung und berufen sich dabei auf das öffentliche Interesse. Auch das Nachrichtenmagazin Spiegel. Nach Relotius fast schon eine realsatirische Einlage. Fragen zu den Auftraggebern, den Organisationshelfern, dem Motiv, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung und den zur Anwendung gebrachten Methoden sind nebensächlich. Diese werden, wenn überhaupt, mit reduzierter Lautstärke gestellt. Ob sich daraus Rückschlüsse auf weitere Angriffe auf unliebsame Politiker herleiten lassen, kümmert die wenigsten. Selektive Wahrnehmung dominiert.                                      

Der Moralbegriff wird immer dann dehnbar, wenn der eigene gesinnungsgeprägte Tunnelblick zu eng wird. Der Skandal zeigt: Im Kampf um die politische Deutungshoheit sind es eben nicht die verschmähten Rechten, sondern ihre Gegner, die zu mehr als fragwürdigen Methoden greifen, um Andersdenkende aus dem Spiel zu nehmen. Mit Argumenten, die das Unmögliche möglich machen.

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