Gibt es ein gerechtes Steuersystem?
„What exactly is your ‚fair share‘ of what ’someone else‘ has worked for?“, hat es der US-Ökonom Thomas Sowell auf den Punkt gebracht. Ist ein gerechtes Steuersystem denk- und machbar?
Die türkisblaue Regierung hat angekündigt, im Zuge der nächsten Steuerreform die kleinen und mittleren Einkommen besonders entlasten zu wollen. Neben der unvermeidlichen Beschwörung des „sozialen Aspektes“ lautet das Argument, dass die steuerliche Entlastung kleiner Einkommen augenblicklich konsumwirksam und damit konjunkturbelebend wirke, während Bezieher höherer Einkommen ihre Steuerersparnis nicht verbrauchen, sondern sparen und damit dem Geldkreislauf entziehen würden. Ein kurioses Argument. Aber schon John Maynard Keynes gebrauchte es in den 1930er-Jahren. Demnach wären Sparer in Wahrheit gefährliche Schädlinge. Die simple Formel dahinter: Konsum ist gut, Sparen böse. Dass Kapitalakkumulation die Basis jeder Investition ist, die wiederum die Einkommen der Zukunft sichert, wird geflissentlich ausgeblendet.
Man kann einen Kuchen essen oder ihn behalten. Da jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, steht Otto Normalverbraucher vor der schwierigen Entscheidung: Sofort konsumieren oder Rücklagen bilden. Zu unterstellen, dass Konsum wichtiger sei, als Investitionen zu tätigen, ist Unsinn, der dem für unsere Zeit typischen Kurzfristdenken geschuldet ist.
Ungeachtet dessen ist es nicht uninteressant, die Effekte der unter der Federführung von Finanzminister Löger angedachten Steuerreform zu untersuchen, was die „Agenda Austria“ dankenswerterweise getan hat.
Im Kommentar zu der Graphik wird ein Aspekt betont, der auch an dieser Stelle bereits mehrfach genannt wurde: Ohne die Abschaffung der „kalten Progression“ (im Zuge einer gleitenden Anpassung der Tarifstufen an die allgemeine Teuerung), kann von keiner Steuerreform gesprochen werden, die diesen Namen auch verdient. Solange der Fiskus einen guten Teil jeder nominalen Lohnerhöhung über das Hineinwachsen in höhere Tarifstufen abgreift, ohne den Steuerpflichtigen einen Ausgleich für die verlorene Kaufkraft zu leisten, kann es keine Steuerreform geben, die eine nachhaltige Entlastung bringt.
An dieser Stelle soll auch der häufig diskutierten „Steuergerechtigkeit“ ein wenig Beachtung gewidmet werden. Darunter wird in der Spätzeit des zunehmend unfinanzierbaren Wohlfahrtsstaates verstanden, dass die sogenannten Reichen, das sind nach sozialistischer Lesart jene, die weder im steuerfinanzierten Gemeindebau noch von Sozialtransfers leben, zahlen sollen bis die Schwarte kracht. Neidgenossen denken so.
Dabei sollte indes nicht vergessen werden, an wen die Steuerzahlungen geleistet werden: Nämlich an den einzigen Akteur in der Arena, der sich auf gesetzeskonforme Weise initiierter Gewalt bedienen darf, um seinen Willen durchzusetzen. Ein Bürger, der nichts anderes „verbricht“, als die Früchte seiner Arbeit für sich und seine Familie behalten zu wollen, anstatt sie an den Gewaltmonopolisten abzuliefern, wird schnell und unmissverständlich erfahren, wo der Hammer hängt.
Kann ein Steuersystem, in dem die einen – ohne etwas dagegen unternehmen zu können – jene Steuern abzuliefern gezwungen sind, von denen die anderen (Politiker, Beamte, Eisenbahner, etc.) leben, gerecht genannt werden? Die Behauptung, man zahle gerne Steuern, weil damit Straßen gebaut und Schulen finanziert würden, kommt in der Regel von Leuten, die keine Steuern zahlen, sondern vielmehr von Steuern leben; oftmals ist ihnen das nicht einmal bewusst.
Die Wahrheit: Werden Steuern nicht freiwillig bezahlt, handelt es sich um erpresste Tribut- oder Schutzgeldzahlungen oder schlicht um Raub.