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Sarrazin: „Dazu bedarf es keines Plans.“

Es ist mittlerweile ein Medienritual. Wann immer der ehemalige Berliner SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin ein Buch veröffentlicht, reagieren die Großmedien empört bis hysterisch. Das jeweilige Buch wird von der Presse kollektiv zerrissen. Oder besser: der Autor. Denn die Kritik ist selten sachlich, sondern überwiegend persönlich. Sarrazins Bücher sind immer ein Stich ins politisch korrekte Wespennest. Die Reaktionen entsprechend. Deshalb sind alle Sarrazin-Bücher Bestseller. Das war bei seinem ersten Buch „Deutschland schafft sich ab“ so, das ist bei seinem aktuellen Buch „Feindliche Übernahme“ so. Stefan Beig hat mit dem Autor über sein neues Buch, den Islam und die Medien gesprochen.

Frank&Frei: Seit dem 11. September 2001 ist eine Flut an Islam-Büchern erschienen. Was hat Sie dazu veranlasst, ein weiteres Buch zu verfassen? Haben Sie in den bisherigen Büchern etwas vermisst?

Thilo Sarrazin: Wenn ich etwas schreibe, dann deshalb, weil ich an einer Sache interessiert bin und ich mich mit ihr lesend und schreibend auseinandersetze. Das Resultat dieser Auseinandersetzung finden Sie in diesem Buch. Dessen Meriten müssen andere beurteilen. Gestützt auf Koran-Lektüre und Statistik, stellt das Buch eine Linie her zwischen den Aussagen der islamischen Religion, der damit einhergehenden mentalen Prägung, der islamischen Geschichte, der Gegenwart der islamischen Länder, der Probleme islamischer Gesellschaften und der Wirklichkeit der Muslime bei uns. Zumindest im deutschen Sprachraum habe ich bisher kein Buch gefunden, dass diesen Zusammenhang darstellt.

Von der Politik und zahlreichen Medien wurde Ihr Buch verrissen. Andererseits befindet es sich auf den Bestsellerlisten. Auch auf Amazon ernten Sie großteils positive Kritiken. Was sagt Ihnen das?

Die meisten unter uns fühlen sich am wohlsten mit Analysen, die ihre Weltsicht bestätigen. Das gilt auch für die überwiegend linksliberalen Medienvertreter in Deutschland. Dieses Buch beschreibt den Islam und die islamische Zuwanderung als grundsätzliche Gefahr für die europäische und die deutsche Zivilisation. Diese Darstellung geht quer zu allen dominierenden Erzählungen, wonach der Islam keine Bedrohung ist, weil er ja selbst eine große Kultur ist, weil die Muslime ja alle friedliebend sind und Europa bereichern, und weil Muslime die bei uns fehlenden Kinder ersetzen, ohne dass der deutsche Lebensstandard beeinträchtigt wird. Leute, die dieser multikulturellen Idylle anhängen, die alle von mir beschriebenen Probleme ausklammert, werden aufgrund meines Buchs unwillig und reagieren daher verärgert. Der Bogen, den ich hier gespannt habe, wurde aber an keiner Stelle widerlegt. Es kommen Einwände wie: Das kann mit dem Koran auch anders sein, viele Muslime sind auch sehr nett und leistungsfähig, die Bevölkerungsprognosen sind doch unsicher, am Ende ist doch immer alles anders gekommen und Sarrazin ist mal wieder ein schrecklicher Schwarzmaler, der Spannungen in die Gesellschaft bringt. So würde ich wohlwollend die sachferne Kritik zusammenfassen, die über sämtliche Probleme hinweg geht, um sie zu leugnen oder zu verharmlosen. Genauso hat die Zigarettenindustrie bei der Raucher-Debatte argumentiert

Bei den meisten Lesern scheinen Sie hingegen eine Befindlichkeit getroffen zu haben.

Die herrschende Medienklasse muss ihr Versagen selbst beurteilen. Aus aktuellem Anlass habe ich mir nochmals die Verkaufszahlen der Zeitungen angesehen. Als Frank Schirrmacher seinerzeit mein Buch „Deutschland schafft sich ab“ als Gefahr für Deutschland bezeichnet hat, hatte die Frankfurter Allgemein Zeitung noch eine 40 Prozent höhere Auflage als jetzt, und sie geht noch weiter hinunter. Also letztlich verlieren ja unsere etablierten Medien zunehmend an Zuspruch, was ich sehr bedaure. Mein Leserbrief zu der unsachlichen und niveaulosen Kritik an meinem Buch von FAZ-Redakteur Rainer Hermann ist in der FAZ erst erschienen, nachdem er zuvor auf der „Achse des Guten“ (achgut.com) veröffentlicht wurde und dort zu vielen Reaktionen geführt hat, die für die FAZ unangenehm waren. Daraufhin hat die FAZ die Veröffentlichung nachgeschoben, allerdings kombiniert mit einer Antwort von Hermann, weil sie ja Recht behalten wollten. Die Mechanik wurde dadurch deutlich: Ohne die wachsende Macht alternativer Medien wäre ich der FAZ und den herrschenden Medien ausgeliefert gewesen. Das bin ich ja heute nicht mehr. Die Medienlandschaft ist breiter geworden.

Sie haben in Ihrem Buch eine bestimmte islamische Mentalität beschrieben, die sich aus Koran und Sunna (Handlungen des Propheten) speist. Der Koran richtet sich demnach an Männer und schafft eine männlich dominierte Gesellschaft. Unterwerfung unter Gott, Hass auf die Ungläubigen sowie fehlende Neugierde nach neuem Wissen seien charakteristisch.

Ich sage immer: Der Koran führt zu Hass auf den Ungläubigen. Das ist die Basis für den heiligen Krieg, den Dschihad. Er führt zu einer geistigen Arroganz, die mangelnde geistige Neugierde jenseits religiöser Fragen nach sich zieht. Darüber hinaus führt das zur Rückständigkeit islamischer Gesellschaften, verbunden mit geringer Wissbegier, niedrigem Bildungsniveau und mangelndem Erfolg in den Gesellschaften des Westens. Gleichzeitig hat die mindere Stellung der Frau wie überhaupt das Verhältnis der Geschlechter für die irdische Ausübung der Religion eine ganz zentrale Funktion. In dem Moment, wo Frauen kein Kopftuch mehr tragen und ihre vollständige Emanzipation hergestellt würde, würde der Islam sofort in sich zusammenbrechen, weil er ja keinen richtigen Ausdruck mehr hätte. Diese mindere Stellung der Frau führt aber zur demographischen Überlegenheit des Islam, weil überall Muslime mehr Kinder haben als andere Gruppen, und weil der Islam von den Vorzügen der westlichen Medizin ebenso profitiert wie der Rest der Welt. Diese demographische Überlegenheit gefährdet die Einwanderungsgesellschaften des Westens.

Sie erwähnen selbst in Ihrem Buch, dass sich das Tragen des Kopftuchs nicht direkt aus dem Koran ableiten lässt. Warum ist in Ihren Augen dann das Tragen des Kopftuchs wesentlich für den Islam?

Das Kopftuch ist Ausdruck einer durch den Koran geprägten Mentalität. Demnach stehen die Männer über den Frauen, die sich in einer abhängigen Stellung befinden. Letztlich dreht sich im Koran und in der Sunna alles immer wieder um das Verhältnis der Geschlechter und um Sexualität. Dafür sind die islamischen Kleidungsvorschriften geradezu symbolisch geworden. Verhüllte Frauen hier sind ein Fremdkörper. Wenn ich sie sehe, denke ich: Die verkörpern eine Gesellschaft, die unsere Werte ablehnt. Das fällt mir dabei ein, und das sehen die genauso.

FinanzBuch Verlag, 450 Seiten , € 24,99

Im Feminismus sieht man darin eher ein Männerthema.

Es gibt nicht „den“ Feminismus. Wenn Sie lesen, was zum Beispiel Alice Schwarzer dazu schreibt, so ist sie viel radikaler als ich.

Aber sie stellt eine Minderheit dar.

Weil viele Menschen nicht genau nachdenken. Oft geht es nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Viele Feministinnen aus der linken Ecke müssen dann entscheiden, was ihnen wichtiger ist: ihre frauenrechtliche Grundeinstellung oder ihr Romantizismus, demzufolge die Muslime so etwas wie „gute Wilde“ sind, die man ja noch entwickeln kann, und die den bösen, zynischen, alten weißen Männern immer noch moralisch haushoch überlegen sind.

Sie widmen sich in Ihrem Buch auch den islamischen Ländern, von Indonesien bis Marokko. Die Vereinigten Arabischen Emirate erwähnen Sie nicht.

Doch. Ich spreche von Öl produzierenden Golfstaaten.

Die Vereinigten Arabischen Emirate belegen im Index of Economic Freedom immerhin Platz zehn – nochvor Deutschland. In Dubai befindet sich darüber hinaus die größte katholische Pfarre der Welt mit mehr als 300.000 Christen.

Gleichwohl laufen auch dort die muslimischen Frauen zu 99 Prozent mit Kopftuch herum. Wenn sie vom Glauben abfallen, kriegen sie Probleme, und die Christen dürfen nicht offen für ihre Religion werben.

Sie sind bis heute Sozialdemokrat. Doch gerade Sozialdemokraten und Grüne scheinen Ihren Zugang zu diesem Thema nicht zu teilen.

Leider ist auch in vielen sozialdemokratischen Parteien eine gewisse illusionäre Haltung dominant.

Aber es ist doch auffallend, wie wenig Applaus Sie dort kriegen.

Von den Funktionären bekomme ich ihn nicht. Es hat ja auch einen Grund, dass die SPD in Bayern und Baden-Württemberg bei 11,5 Prozent liegt. Hätte ich dort das Sagen, wäre das anders. Diese Leute führen sich und ihre Partei leider in die Bedeutungslosigkeit.

Andererseits bekommen Sie Applaus aus anderen Ecken, wie der AfD. Dort hört man: „Der sagt, was wir denken.“ Wie gehen Sie damit
um?

Es geht doch um die Frage von Falsch oder Richtig. Wenn jemand meine Bücher liest und meine Gedankengänge teilt, dann ist das doch in Ordnung. Wenn ich hier auch geistig Einfluss nehme, möchte ich in die Breite der Gesellschaft wirken, und dazu gehören alle Bevölkerungsgruppen und politischen Parteien.

Vor 20 Jahren war der Islam für die breite Bevölkerung noch kein Thema. Das hat niemanden interessiert.

Mich auch nicht.

Heute beschäftigt es viele rund um die Uhr. Was hat dazu geführt?

Der Islam prägt die Gläubigen in einer bestimmten Art und Weise. Überall dort, wo Muslime größere Minderheiten sind oder die Mehrheitbilden, kommt es zu Problemen. Das Problembewusstsein im Hinblick auf den Islam wuchs in Deutschland parallel zu der Zahl der Muslime. Gleichzeitig gibt es seit Jahrzehnten in der islamischen Welt einen Trend zur Fundamentalisierung und zur Radikalisierung. Bei bestimmten Anlässen kommt das an die Oberfläche, wie etwa bei Terroranschlägen. Doch solche Ereignisse tragen nur etwas nach oben, was schon vorher da war.

Sie nennen Ihr Buch „Feindliche Übernahme“. Müsste man nicht eher von einer freundlichen Übernahme sprechen, schließlich geschieht ja alles, was Sie beschreiben, auf Einladung der Politik?

Man kann über Worte streiten. „Feindliche Übernahme“ ist die Übernahme der Herrschaft durch eine fremde Macht gegen den Willen der Betroffenen. Die Muslime mischen sich nicht mit den aufnehmenden Gesellschaften, nehmen auch nicht ihre Mentalität an, zumindest nicht mehrheitlich. Sie wachsen durch Einwanderung immer mehr in ihrer Zahl und haben durchgehend höhere Kinderzahlen. Deshalb werden sie irgendwann die Mehrheit in dieser Gesellschaft sein.

Sie bezeichnen die Fertilität von Muslimen in nichtislamischen Ländern – bis hin nach Myanmar und Thailand – als ihr hervorstechendes Merkmal. Suggeriert der Titel nicht, dass hier ein bewusster Plan der Muslime zur Übernahme vorliegt?

Nein. Ich habe hier die überdurchschnittliche Bevölkerungsvermehrung, speziell der muslimischen Minderheiten, empirisch beschrieben und auf die Rückständigkeit dieser Religion und die mindere Rolle der Frau zurückgeführt. Dazu bedarf es keines Plans. Wenn ich Mädchen in jungen Jahren verheirate, dann haben sie ja 30 Jahre Zeit, sieben, acht Kinder zu kriegen. Das ergibt sich automatisch, ohne zentralen Generalstabsplan. In jedem Land, in dem es Muslime gibt, wachsen die Muslime schneller als der Rest der Bevölkerung, selbst in Indien.

„Feindliche Übernahme“ klingt aber nach militärischer Strategie. Das suggeriert: Man belässt die Menschen absichtlich in der Rückständigkeit.

Das System ist rückständig und produziert eben bestimmte Resultate, die bei unbeschränktem Zuzug von Muslimen im Ergebnis zu einer feindlichen Übernahme führen werden – feindliche Übernahme deshalb, weil sich die Muslime ja bewusst von unserer Kultur abgrenzen. Sie bedienen sich gerne unserer Handys und unserer Medizin, aber unsere Werte wollen sie nicht teilen.

Stellen Sie die Muslime da nicht als einen sehr homogenen Block dar?Müsste man sich nicht die Glaubenpraxis in den verschiedenen Milieus näher ansehen?

Das tue ich ja in meinem Buch. Ich stelle dort auch die Unterschiede dar und zitiere Umfragen. Immer wenn ich solche Betrachtungen anstelle, muss ich die Dinge gruppenbezogen untersuchen. Die Mehrheit der Muslime in Deutschland und Europa neigt einem fundamentalen Islam zu. In der jüngeren Generation hat sich dieser Trend noch verstärkt.

Islamisten sind gefährlich. Das hört man oft. Sie gehen weiter: Die Grundlage – der Islam selbst – ist Ihnen zufolge nicht kompatibel mit Europa.

Es gibt keine eindeutige Abgrenzung zwischen gutem und bösem Islam. Der Islamismus ist eine fundamentalistische Ausprägung des Islam und als solche ihr Teil. Das ist es ja, was viele an meinem Buch so ärgert: Dass ich diese Unterscheidung zwischen gutem und bösen Islam ablehne.

Sie sprechen auch von Abwehrmaßnahmen gegen die Islamisierung. Welche sollten das Ihrer Meinung nach sein?

Grundsätzlich keine weitere Einwanderung aus der islamischen Welt. Es gibt noch weitere Instrumente zur Integration der hier lebenden Muslime, die ich in meinem Buch aufzeige. Die Leser können das dort nachlesen.

Stichwort Einwanderungsstopp: Da ist ja eine riesige Lücke zwischen Ihrer Forderung und dem, was in Deutschland auf politischer Ebene als konsensfähig gilt.

Das ist nun mal so in der Demokratie. Allerdings kann man das Ziel auch ganz elegant erreichen. Wir wollen ja qualifizierte Einwanderer. Wenn ich sage, wir lassen nur noch Personen zuwandern, die einen Intelligenzquotienten von mindestens 110 haben und eine Fachausbildung, die der deutschen entspricht, dann haben sie 99,9 Prozent der islamischen Zuwanderung nach Deutschland erfolgreich unterbunden, ohne die Religion auch nur einmal zu erwähnen. Gleichzeitig hätten wir dann die deutsche Einwanderungspolitik auf eine neue Basis gestellt.

Gibt es aus Ihrer Sicht westliche Regierungen die eine bessere politik machen?

Die Australier sind ja sehr konsequent und lassen nach Punktesystem
einwandern. In meinem Buch habe ich es dokumentiert: Die Einwanderung nach Kanada, Neuseeland, England und Australien bewirkt, dass die Einwanderer dort im Durchschnitt eine den Einheimischen vergleichbare und teilweise höhere kognitive Kompetenz haben. In Kontinentaleuropa ist es umgekehrt. Das bedeutet: Unsere Gesellschaft wird durch die Struktur unserer Einwanderung durchschnittlich immer dümmer, während die Gesellschaften dort durch Einwanderung durchschnittlich intelligenter werden.

Sie haben eben eine Dystopie dargestellt. Wie sähe Ihre Utopie für Europa aus?

Ich bin kein Freund von Utopien. Ich halte sie grundsätzlich für unfruchtbar. Man muss in Staaten vernünftige Rahmenbedingungen setzen. Wenn man Probleme erkennt, muss man nachsteuern. So entwickelt sich Gesellschaft.

Sie sind Mitglied der SPD – bis heute. Warum?

Ich bin seit 45 Jahren Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Willy Brandt war damals Bundeskanzler und Helmut Schmidt Finanzminister. Es war eine starke Partei, die eine vernünftige Friedens- und Sozialpolitik verfolgt hat und weitaus moderner war, als etwa die CDU. Deshalb bin ich damals eingetreten und bis heute dabei. Meine Überzeugungen haben sich seither nicht geändert.

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