Wie Kurz seine Wähler täuscht
Er ist wieder der politische Strahlemann, genießt die Aufmerksamkeit aus ganz Europa. Die türkis-grüne Regierung sei Vorbild und Modell für andere Staaten, heißt es aus Brüssel und von den Mainstream-Medien. Nach einem „rechtspopulistischen“ Intermezzo ist Österreich wieder auf dem rechten, pardon, linken Weg.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen twittert nach der Angelobung der neuen Regierung in Wien an Sebastian Kurz: „Das sind ehrgeizige Ziele bei Klima, Digitalisierung und Migration – das passt gut zu unserer europäischen Agenda. Ich freue mich auf unser Wiedersehen am Sonntag in Brüssel.“ Auch in Österreich herrscht im linken Lager Aufbruchstimmung. Vom Bundespräsidenten bis zum kleinen NGO-Mitarbeiter, sie erwarten sich viel von der neuen Regierung.
Die Süddeutsche Zeitung, die mit der Veröffentlichung des mit Mafiamethoden hergestellten Ibiza-Videos maßgeblich an der Sprengung der türkisblauen Regierung beteiligt war, frohlockte bereits kurz vor der Einigung der beiden Parteien: „Grün-konservative Regierung wird wahrscheinlicher“.
Dass sie SZ von einer grün-konservativen und nicht dem Kräfteverhältnis entsprechend von einer konservativ-grünen Regierung schreibt, ist entlarvend und zeigt, warum sich die Linke von Wien bis Brüssel über diese neue Regierung freut. Die ÖVP war mit 37,5 Prozent der überlegene Wahlsieger, der grüne Juniorpartner kam lediglich auf 13,9 Prozent Wählerzustimmung. Trotzdem freut man sich, dass Österreich nun eine „grün-konservative“ Regierung bekommen hat, obwohl die Bürger mehrheitlich konservativ-rechts gewählt haben. ÖVP und FPÖ kamen gemeinsam auf 53,6 Prozent, SPÖ und Grüne auf lediglich 35 und die zwischen links und wirtschaftsliberal politisch irrlichternden Neos auf 8,1. Das ist das Zukunftsmodell, von dem viele Linke – angesichts der Krise der Sozialdemokratie – begeistert sind: Trotz einer bürgerlich-rechten Mehrheit wird das Land weiterhin von einer linken Regierung geführt. Sebastian Kurz sei Dank.
Würde Kurz, wie er im Wahlkampf immer wieder betont und versprochen hat, an seinem Mitte-rechts-Kurs festhalten, die Freude der Journalisten und politischen Beobachter wäre nicht halb so groß. Man rechnet fest damit, dass Kurz, Wahlversprechen hin oder her, auf einen klaren Linkskurs einschwenkt. Nicht zu Unrecht. Man geht davon aus, dass er politisch und ideologisch ähnlich flexibel wie Angela Merkel ist, die noch 2010 feststellte: „Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert!“, um fünf Jahre später mit dem Schlachtruf „Wir schaffen das“ die deutschen Grenzen für alle, die da aus der Dritten Welt kommen wollten, öffnete.
Auch Kurz richtet seine Politik nach der politischen Wetterlage in Europa und der veröffentlichten Meinung aus, auch er könnte sich als politischer Wendehals erweisen, zumal er nach seinem Job als Bundeskanzler wohl eine Polit-Karriere in Brüssel anstrebt. Was Kurz und seine Getreuen unterschätzen dürften: Die ÖVP hat zwar mehr Wählerstimmen und damit mehr Rückhalt in der Bevölkerung, aber nicht in den Medien und den urbanen, meinungsbildenden Milieus.
Kurz ist zwar talentierter, eloquenter und intelligenter als sein grünes Gegenüber, Neo-Vizekanzler Werner Kogler, und Kurz hat sich mit einer 14-Prozent-Kleinpartei verbündet, aber die Grünen haben ihre gesamte politische Sippschaft mit in diese Polit-Ehe gebracht: den ORF, die anderen Mainstreammedien, die Kulturschaffenden, die Kleinkünstler, die NGOs, die Wissenschaft und die sogenannte Zivilgesellschaft.
Der gesamte tiefe linke Staat steht zu hundert Prozent hinter Kogler und den Grünen. In jedem koalitionären Konflikt, und davon wird es viele geben, werden diese Kräfte die Grünen und ihre Positionen unterstützen. Uneingeschränkt. Sie versuchen nun Kurz und seine Regierung weit nach links zu drücken. Sie verfügen über die dafür notwendige Infrastruktur und die erforderlichen Mittel. Auf besonders viel Widerstand werden sie ohnehin nicht stoßen.
Das ist keine Mutmaßung, das wird längst praktiziert. Obwohl es einen ausverhandelten Koalitionspakt gibt, haben die Grünen gemeinsam mit den Medien vom Tag der Angelobung an Punkte dieses Abkommens als zu rechts, als zu konservativ und zu restriktiv kritisiert. Die linke „Diskursforscherin“ Ruth Wodak kann im türkis-grünen Koalitionsprogramm sogar viele „rechtsextreme Narrative“ erkennen. Obwohl in diesem Programm dem Rechtsextremismus der Kampf mehrfach angesagt wird und Linksextremismus nicht einmal erwähnt wird. Das Signal an die Linke (und Rechte) ist eindeutig. Eines ist angesichts solcher Expertisen und Berichterstattung klar: So links kann Kurz gar nicht werden, dass die Grünen und die Mainstreammeiden jemals zufriedengestellt sein werden.
Sie erwarten sich von ihrer „grün-konservativen“ Regierung mehr, einen noch deutlicheren linken Kurs. Der ein oder andere Grüne hat bereits angekündigt: Nach den Verhandlungen ist vor den Verhandlungen. Soll heißen, man habe zwar dem Koalitionspakt zugestimmt, um in die Regierung zu kommen, an das Abkommen halten werde man sich aber nicht. Die Grünen wissen, Kurz kann es sich in absehbarer Zeit nicht leisten, erneut eine Regierung zu sprengen.
Mitleid braucht man mit dem ÖVP-Chef nicht zu haben, er hat das alles genau so geplant. Kurz ist schon im Sommer, lang vor der Wahl, auf die Grünen zugegangen. Und dass man mit der linken Öko-Truppe keinen Mitte-rechts-Kurs fahren kann, stand von Anfang an außer Frage. Doch was ist Sebastian Kurz ohne eine prononcierte Migrations- und Sicherheitspolitik? Ein nach links abgedrifteter Kurz wird schnell die Gunst seiner Wähler verlieren. Mit konservativer Rhetorik und Symbolpolitik, die nur dazu da ist, den linken Kurs zu verdecken, wird er sich auf Dauer nicht durchschummeln können. Und Kurz wird erkennen müssen, dass die Grünen dank ihrer vielen Helfershelfer in allen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen weit durchsetzungsstärker und mächtiger sind, als man es von einer 14-Prozent-Partei erwarten würde.
An vorderster Front mit der linken Öko-Truppe kämpft der ORF, er ist sozusagen der mediale Arm dieser Partei. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die anderen linken Medien werden auch dafür sorgen, dass Fehlentscheidungen, Fettnäpfchen Peinlichkeiten und Postenschachereien der Grünen nicht oder nur weichgespült an die Öffentlichkeit gelangen. Schon jetzt sorgt der ORF dafür, dass sich die zum Teil überforderten grünen Minister in der Öffentlichkeit nicht blamieren.
Ob Kurz, bei all seinem politischen Talent und seinen Fähigkeiten, dem gewachsen sein wird, steht zu bezweifeln. Nachdem die FPÖ von den vereinten linken Kräften erfolgreich ausgeknockt worden ist, können sich die linken Medien und Meinungsmacher nun auf Kurz konzentrieren. Sie hassen ihn genauso wie Heinz-Christian Strache und die FPÖ. Kurz ist für die linken Kräfte der nützliche Idiot, der Steigbügelhalter für die „grün-konservative“ Regierung.
So lange die Konjunktur halbwegs stabil bleibt, die EZB mit Billig-Geld die Finanzkrise aufschieben kann und keine neue Migrationswelle über Europa hereinbricht, könnte diese „grün-konservative“ Regierung eine Zeit lang im Amt bleiben und den von Brüssel gewünschten Kurs weiterfahren. Eine größere Krise wird sie aber nicht überstehen, wenn die Bürger ganz direkt und brutal zu spüren bekommen, wer sie da regiert, wer da an den Hebeln der Macht sitzt, zumal die ÖVP, die Regierung und deren medialen Komplizen die Österreicher von Anfang an getäuscht haben. Die Bürger wollten eine Mitte-rechts-Regierung, bekommen haben sie eine linke. Mit türkisem Lack.