Ein Fall von Gesinnungsjustiz

Stellen Sie sich vor, Sie sind Kunde eines international tätigen Unternehmens und haben eine Produktreklamation. Sie wenden sich an den Kundendienst des Unternehmens, der die Sache an die Rechtsabteilung weitergibt.

Die lehnt Ihr Vorbringen als unbegründet ab. Sie wenden sich daraufhin an die internationale Zentrale, die die Entscheidung der lokalen Niederlassung bestätigt. Weitere Rechtsmittel sind nicht vorgesehen. Sie bleiben auf Ihrem reklamierten Produkt und auf dem Schaden sitzen.

Das ist natürlich kompletter Unsinn. Streitsachen haben, auf dem Boden eines Rechtssystems, das diesen Namen verdient, von einer neutralen Institution verhandelt und entschieden zu werden. Es liegt auf der Hand, dass eine Institution, die selbst in eine Streitsache als Partei involviert ist, keine neutralen Entscheidungen zu treffen vermag und daher aus gutem Grund auch nicht darf. Wirklich keine?

Szenenwechsel. Sie liegen als Bürger mit einer staatlichen Behörde im Streit. Um die Sache etwas weniger abstrakt zu machen, legen wir eine wahre Begebenheit zugrunde, die sich soeben Im „Rechtsstaat“ Österreich zugetragen hat. Ein unbescholtener, in einem angesehenen Beruf tätiger Bürger, ist Waffenbesitzer. Er verfügt über eine von der zuständigen Behörde ausgestellte Waffenbesitzkarte, die ihn zum Besitz von zwei Waffen der Kategorie B (Kurzwaffen und/oder halbautomatische Langwaffen) berechtigt. Wie es sich gehört, hat er seine Waffen gesetzeskonform und rechtmäßig im autorisierten Fachhandel erworben.

Der Mann platziert auf seiner Facebook-Seite mehrere Einträge, in denen er sich kritisch mit dem Islam auseinandersetzt. Keiner dieser Beiträge ist strafrechtlich relevant, weshalb zwei gegen ihn angestrengte Verfahren wegen Verhetzung (nach § 283 StGB) ergebnislos eingestellt werden. Dessen ungeachtet, befindet die für Waffenrechtsangelegenheiten zuständige Behörde es für angebracht, die WBK des unbescholtenen Bürgers mit der Begründung einzuziehen, dass seine waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr gegeben sei, und befürchtet werden müsse, dass er seine Waffen zu Angriffen auf Muslime missbrauchen könnte.

Gegen diesen hanebüchenen Bescheid legt der Bürger Beschwerde ein, über die beim Verwaltungsgericht Wien in öffentlicher Sitzung verhandelt wird. Das Vorbringen des von einem in Waffenrechtsangelegenheiten erfahrenen Anwalt vertretenen Beschwerdeführers besteht einerseits darin, seine am Islam formulierte Kritik zu erläutern und zu begründen, und andererseits darin, klarzustellen, dass seine in einem der Beiträge geäußerte, schwerlich missinterpretierbare Forderung, es müsse „militärisch“ gegen den Islam vorgegangen werden, keinesfalls den Schluss zulasse, dass er jemals beabsichtigt habe, als Privatperson Gewalt gegen Muslime üben zu wollen. Das habe er zu keiner Zeit jemals vorgehabt und plane er auch jetzt und in der Zukunft nicht.

Angesichts der bislang untadeligen Lebensführung des Beschwerdeführers, seines Alters, seiner Bildung und seiner gehobenen beruflichen Funktion, besteht für den neutralen Prozessbeobachter nicht der geringste Anlass, die Billigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers anzuzweifeln. Der Volksmund weiß: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand. Fachleute wissen: Bei Gericht gibt es ein Urteil, keine Gerechtigkeit. So auch in der vorliegenden Angelegenheit. Das von einer jungen Richterin im Namen der Republik formulierte Erkenntnis, lautet auf Abweisung der Beschwerde (d. h. eine Bestätigung des Bescheides der Erstinstanz) und enthält die Belehrung, dass eine Revision durch den Verwaltungsgerichtshof unzulässig ist.

Die groteske Begründung für diese Entscheidung ist ein wahres Gustostück, wie es sich weder Roda Roda, noch die Monty-Python-Truppe origineller hätte ausdenken können. Nach einer ermüdenden Wiederholung des Bescheides der Erstinstanz, des Wortlauts der dagegen vorgebrachten Beschwerde, Zitaten aus verschiedenen im Internet abgesetzten Kommentaren des Beschwerdeführers und Textpassagen aus dem Waffengesetz, weist die Richterin explizit darauf hin, dass „…der Verwaltungsgerichtshof bei einer Verurteilung wegen Verhetzung nach § 283 StGB zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen von mangelnder Verlässlichkeit gem. § 8 Abs. 1 Z 3 Waffengesetz („Angriff gegen den öffentlichen Frieden“) ausgeht (VwGH 21. 9. 2000, 97/20/0752).

Eine solche Verurteilung des Beschwerdeführers liegt aber, wie weiter oben bereits ausgeführt, nicht vor. Daher bedarf es an dieser Stelle einer gedanklichen Kapriole, um den Bürger dennoch entrechten zu können. Die lautet im vorliegenden Erkenntnis wie folgt: „…ist anzumerken, dass gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 Waffengesetz nur im Falle einer Verurteilung (im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß) ex lege mangelnde Verlässlichkeit anzunehmen ist. Wird das gerichtliche Strafverfahren eingestellt oder diversionell erledigt, kann das zugrundeliegende Verhalten nichtsdestotrotz eine mangelnde Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 3 Waffengesetz begründen

Weiter kann die Tür zur nackten Justizwillkür unmöglich aufgestoßen werden: Was auch immer der unbotmäßige Nonkonformist tut oder lässt, kann und wird bei Bedarf gegen ihn verwendet werden. Um dem Unrecht den Spott hinzuzufügen, heißt es im Erkenntnis weiter unten: § 8 Abs. 1 Z 3 Waffengesetz verlangt eine Prognose über das künftige Verhalten des zu Beurteilenden auf Basis des Wissenstandes der Gegenwart. Es ist dabei von Tatsachen auf das zukünftige Verhalten eines Menschen zu schließen. Als Tatsache kommt jede Verhaltensweise oder Charaktereigenschaft in Betracht, die nach den Denkgesetzen und der Erfahrung den Schluss auf das künftige Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 bis 3 Waffengesetz zulässt (vgl. Keplinger/Löff, Waffengesetz 1996, 43ff).

Da die Lebensführung, das bislang gezeigte Verhalten und der Charakter des Beschwerdeführers gemäß des zitierten Sermons nur den einzig logischen Schluss zulässt, dass auch künftig mit keinem rechtswidrigen Verhalten zu rechnen ist, hätte das Erkenntnis „nach den Denkgesetzen und der Erfahrung“ (sic!) nicht anders lauten können, als seiner Beschwerde stattzugeben und den bekämpften Bescheid aufzuheben. Das genaue Gegenteil ist geschehen.

Anders, als mit dem unbedingten Wunsch, dem Beschwerdeführer (und aufgrund der zu erwartenden generalpräventiven Wirkung dieses sagenghaften „Rechtsspruches“, auch jedem anderen Dissidenten) klarzumachen, dass er seine Meinung künftig gefälligst für sich behalten möge, andernfalls er schwerwiegende Repressalien zu gewärtigen habe, ist das vorliegende Erkenntnis wohl nicht zu erklären.

Abgesehen von der grotesken Anmaßung von Verwaltungs- und Justizbehörden, das amtsbekannt untadelige Verhalten eines Menschen zum Anlass zu nehmen, ihm die Planung und Durchführung von Straftaten zu unterstellen und deshalb die Waffenbesitzkarte zu entziehen, ist allein der offenkundig bestehende Ermessensspielraum des Richters ein Skandal. Immerhin sind die im Gesetz vorgesehenen Gründe für den Verlust der waffenrechtlichen Verlässlichkeit im vorliegenden Fall ja ausdrücklich nicht gegeben. Wie kann es also sein, dass eine Richterin sich über die glasklar formulierten Buchstaben des Gesetzes hinwegsetzt?

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