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Der Kollaps der Wahrheitssysteme

Wer das Deutungs- und Wahrheitsmonopol der linken politmedialen Klasse infrage stellt, gilt als Hetzer und Hasser. Doch Unterdrückungsmechanismen wie Denunziation, Propaganda, Marginalisierung und Zensur stoßen an ihre Grenzen, wenn die Kluft zwischen Realität und medial vermittelter Wirklichkeit zu groß wird.

Wir leben im postfaktischen Zeitalter. So lautet seit ein paar Jahren die einhellige Diagnose unzähliger Fernsehexperten. Sie ist eine der beliebtesten Instant-Erklärungen um den Vertrauensverlust weiter Teile der Bevölkerung in die etablierten Medien zu begründen. Doch so intellektuell sie auch klingen mag, der Gedankengang dahinter ist ein mehr als banaler: Wir, die renommierten Medienschaffenden, arbeiten Tag und Nacht an der Aufklärung der Bürger und bringen die Fakten. Diese werden uns jedoch nicht mehr abgenommen. Ergo: Fakten sind nichts mehr wert – Perlen vor die Säue.

Das Selbstbild des „kritischen Journalismus“ und der „Qualitätsmedien“ wird trotz allem aufrecht erhalten. Jede relevante Kritik prallt unverstanden ab. Bequem werden die Kritiker in Schubladen verpackt und als Demokratiefeinde und Hetzer mundtot gemacht. Und wenn der hochgelobte Qualitätsjournalismus mal gar zu sehr in bloße Propaganda abrutscht und sich dies nicht mehr vertuschen lässt, entschuldigt man sich eben, um sich im gleichen Atemzug wieder großzügig selbst zu verzeihen – denn wo Menschen arbeiten, würden nun mal Fehler passieren, so die Verantwortlichen. Keine Frage. Doch warum gehen alle Fehler immer in dieselbe Richtung?

Man wird im Rahmen des Ukraine-Konfliktes in den Qualitätszeitungen kaum einen Artikel finden, der die russische Führung versehentlich zu positiv dargestellt hätte. Sie würden sich auch sehr wundern, wenn Ihnen in den Archiven der großen Fernsehanstalten ein Beitrag unterkäme, in dem die problematischen Aspekte der Masseneinwanderung verhältnislos überbetont würden. Die Einseitigkeit der Fehler, die tatsächlich passieren, verweisen auf eine dahinterliegende
Systematik.

Die immer zahlreicher werdenden Kritiker der etablierten Medien zeichnen dahingehend ein besorgniserregendes Bild: Uns werde politische Propaganda als objektive Information untergejubelt. Strategisch platzierte Fehlinformationen sollen die öffentliche Meinung in die gewünschte Richtung lenken. Und was wichtige Ereignisse angeht werde einfach glatt gelogen. Ein Kartell aus Politik und Medien kontrolliere das Bewusstsein der Bevölkerung über den Informationsfluss. So verständlich diese Kritik auch sein mag – und zum Teil auch auf tatsächlichen Vorgängen basiert –, sie trifft nicht den Kern der Problematik. Hinter Symptomen wie einer einseitigen Berichterstattung oder der achtlosen Vermischung von Meinung und Information steht eine viel tieferliegende Pathologie.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz des Heiko Maas (SPD): Unterdrückung der Meinungsfreiheit, weil die unliebsamen Social-Media-Kanäle das linke Deutungs- und Wahrheitsmonopol untergraben

Dank der sozialen Medien können Sie diese Pathologie auch ähnlich einem Virologen quasi unter dem Mikroskop bei ihrer Ausbreitung verfolgen. Beispielsweise auf Twitter finden sich Cliquen von Meinungsproduzenten, die sich vor allem gegenseitig auf die virtuellen Schultern klopfen. Man ist sich einig und beglückwünscht sich zu seinem Mut, die gleiche Meinung wie alle anderen zu vertreten. Man weiß, wer die Guten, und noch besser, wer die Bösen sind. Doch schert einer aus, wird aus den Guten ganz schnell ein geifernder Mob, dessen Blutdurst auch die verlogenste Entschuldigung und peinlichste Distanzierung nicht stillen kann. Während dem Abweichler reflexartig Hass und Hetze vorgeworfen wird, verbucht man diese tatsächliche Hetzjagd unter dem Etikett „Zivilcourage“. Die eigenen niederen psychologischen Bedürfnisse risikolos ausleben und dafür noch die Plakette einer vornehmen Moral in Empfang nehmen – bequemer geht es nicht.

Und in dieser Bequemlichkeit würde das beschriebene Milieu gern verharren. Vom öffentlich-rechtlichen Anchorman bis zur queer-feministischen Bloggerin mit fünf Leser_Innen – man schreibt zwar viel, doch versteht sich eigentlich wortlos. Zu lange spielte man schon nach den ungeschriebenen Regeln der Tugendwächter, als das man nun einen tiefgreifenden Reflexionsprozess beginnen könnte. Ihr ganzes Selbstbild hängt an der milieuspezifischen, risiko- und verantwortungslosen Hypermoral. Die Frage nach der Trennung von Meinung und Information ist kaum noch zu beantworten, denn nie herausgefordert durch abweichende Interpretationen und Perspektiven auf gewisse Sachverhalte halten sie ihr ideologisch gefilterten Eindrücke bereits für objektive Tatsachen.

Eines der besten Beispiele für diesen Vorgang stellen die Ereignisse von Chemnitz im vergangenen Sommer dar. Nach dem grausamen Mord an einem 35-jährigen Deutschen durch Zuwanderer kam es zu Massenprotesten und Trauerkundgebungen. Schon da überwog in den Medien nicht die Berichterstattung über den Mord, sondern über die Proteste. Und die üblichen Experten konzentrierten sich nicht auf die Thematik der Ausländergewalt, sondern kannten nur eine Sorge: Hoffentlich werde die Tat nicht „von Rechten instrumentalisiert“. Und wie gerufen, tauchte auf einem Antifa-Twitteraccount ein zusammenhangsloses Videoschnipsel auf, in dem offenbar eine Gruppe von Deutschen zwei Südländern hinterherrennen. Das Aufatmen, das nun durch viele Redaktionsstuben ging, war förmlich zu hören. Der Mord konnte nun getrost in den Hintergrund gerückt werden. Aus abgeschnittenen Videoschnipseln wurden in der Berichterstattung plötzlich „Videos von ausländerfeindlichen Hetzjagden“. Der weitere Verlauf ist bekannt. Das Thema war nun wieder wie immer der Kampf gegen rechts. Man konnte sich wiederum in seine bequeme Moral zurückziehen und die Ereignisse wurden dem eigenen ideologischen Narrativ angepasst. Die Welt war wieder im Lot.

Ereignisse wie dieses und deren mediale Aufarbeitung illustrieren dem reflektierten Beobachter ein Sittenbild. Er kann sich verwundert fragen, wie aus einem besonders grausamen Fall von Ausländerkriminalität plötzlich eine Geschichte über Rassismus und Ausländerfeindlichkeit wurde. Und dank alternativer und sozialer Medien werden solche Paradoxien nicht mehr unhinterfragt stehen gelassen. Genau das ist es, was den politmedialen Komplex stört und warum dieser sich jetzt immer und überall von Hass, Hetze und Fake News umgeben sieht. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer äußerte in diesem Zusammenhang eine unbewusst entlarvende Sorge: Die eigenständige Aufarbeitung der Ereignisse in Chemnitz außerhalb der Mainstreammedien sei ein Angriff „auf unsere Wahrheitssysteme“. Damit hat er unwissentlich die Grundproblematik, die hinter dem Vertrauensverlust in die etablierten Medien steht, angesprochen. Die Verbindung des universellen Wahrheitsbegriffes mit dem partikularen Begriff „System“ verleiht der Wortschöpfung einen befremdlichen Klang. Wenn es eine für alle gültige Wahrheit gibt, wie kann diese dann in spezifische „Systeme“
gepresst werden?

Der schwarze Kanal: Hetze und Propaganda der DDR gegen das unliebsame Westfernsehen

Die postmoderne Philosophie, anschließend an den Dekonstruktivismus
Derridas und den Poststrukturalismus Foucaults (Denkrichtungen, die vor allem in der politischen Linken Anklang fanden), war es, die den Wahrheitsbegriff und seine Allgemeingültigkeit dekonstruierte. Die Erkenntnis, dass, was als real wahrgenommen wird, immer von eben dieser Wahrnehmung und ihrer Interpretation abhängt, hatte weitreichende Folgen für den Wissenschaftsbestrieb und darüber hinaus. Der Kerngedanke, dass eine objektive Wissenschaft ohne Vorannahmen nicht möglich ist, sollte vor allem zu einem höheren Grad an Reflexivität führen. Doch das Gegenteil war und ist der Fall. Er eröffnete der vor allem im akademischen Betrieb dominanten Linken die Möglichkeit, politisch wohlfeile Interpretationen als methodologisch fundierte Ergebnisse auszugeben. Wenn also laut postmoderner Paradigmen Objektivität eine Illusion und alles nur einfach wieder auflösbares soziales Konstrukt ist (außer natürlich Menschenrechte, Gleichberechtigung, Sozialstaat etc.), warum dann nicht gleich plumpe Propaganda, gekleidet in fachspezifisches Nischenvokabular, als wissenschaftliche Erkenntnis verkaufen?

Diese Denkungsart streute natürlich auch auf andere Bereiche der Gesellschaft aus; allen voran die Medien, da sich deren Akteure zu großen Teilen aus dem gleichen Milieu rekrutieren. Nun führen die meisten Angehörigen dieses Milieus ein äußerst privilegiertes Leben, wodurch es leicht fällt, den eigenen, den „guten“ Interpretationen der Realität zu folgen. Es fühlt sich gut an, in Blogbeiträgen die Übel des Rassismus zu beklagen und das Hohelied der Vielfalt zu verkünden, wenn man Migranten nur als die netten Gemüsehändler vom Wochenendeinkauf am Naschmarkt kennt. Der Rest der Gesellschaft erkennt jedoch schmerzlich, dass nicht alle Interpretationen der Realität gleichwertig sind, wie es sich die postmoderne Philosophie in geschützten universitären Werkstätten ausdachte. Wenn man es sich nicht aussuchen kann, gestaltet sich z.B. das interkulturelle Zusammenleben bedeutend schwieriger als für jene, die in teuren, weitgehend homogenen Wohngegenden die Weltoffenheit im Munde führen. Mittels sozialer Medien können sich nun auch die „Bösen“ Gehör verschaffen und von ihrer Interpretation der Realität, die nicht gefiltert ist durch einen privilegierten Lebenswandel und eine Moral, die man sich leisten können muss, berichten. In den Augen der „Guten“ natürlich
alles Hass und Hetze.

Zur Überwindung dieser Polarisierung werden Zensurgesetze gegen den „Hass im Netz“ nicht helfen. Ganz im Gegenteil. Da die Realität die Realität bleibt, beraubt man die Bevölkerung nur eines Ventils (von der Meinungsfreiheit gar nicht erst zu sprechen). Und auch die „Guten“ sollten wissen, was passieren kann, wenn der Quinoa-Tofu-Eintopf ohne Ventil gekocht wird. Der Spaltung in der Information folgt die Spaltung der Gesellschaft. Die Medien werden allgemein wieder lernen müssen, was eigentlich Teil ihres Grundgeschäfts wäre: Reflexion der eigenen Selbstverständlichkeiten. Sollte das weiterhin nicht stattfinden, dann stellt der Trendbegriff „Filterblase“ nur einen niedlichen Vorboten für das zukünftige Leben in getrennten Realitäten mit all seinen Folgen dar.

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