„Wenn die Wirtschaft nicht funktioniert, dann funktioniert gar nichts“
Interview mit Frank Stronach
„Der menschliche Geist hat die Fähigkeit, die Menschheit auf eine höhere Ebene zu führen, aber auch in den Abgrund.“
Frank Stronach kann auf ein äußerst erfolgreiches Leben zurückblicken. Er hat mit Magna International und der Stronach Group zwei weltweit erfolgreiche Unternehmen aufgebaut. Begonnen hat alles in einer Garage in Kanada. Magna hat aktuell über 150.000 Mitarbeiter. Jetzt hat Stronach ein Buch geschrieben, in dem er seine Erfahrungen und sein Wissen weitergeben möchte. „Die Frage aller Fragen“ ist vor Kurzem in deutscher Sprache erschienen. Frank&Frei hat mit Frank Stronach über sein Buch, seine Ideen und seine Philosophie gesprochen.
Frank&Frei: Was hat Sie bewogen, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen bestimmten Auslöser?
Frank Stronach: Die Gedanken sind schon über viele Jahre in meinem Kopf. Ich sage gerne, wenn die Wirtschaft nicht funktioniert, dann funktioniert gar nichts. Und ich sage auch, die Wirtschaft wird von drei Kräften getrieben: kluge Manager, Investoren und Arbeiter. Und alle drei haben ein Recht, einen Teil des Profites zu bekommen. Ich betone besonders, dass die Arbeiter ein moralisches Recht auf einen Teil des Gewinnes haben, den sie durch ihren Fleiß miterwirtschaftet haben. Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten rund 400 Fabriken in 30 verschiedenen Ländern gebaut. Und ich sehe Amerika als das einzige Land, wo das freie Wirtschaftssystem eine Möglichkeit hat, auch weiterhin zu bestehen. Natürlich hat das freie Wirtschaftssystem Probleme. Mehr und mehr Kapital ist in den Händen von immer weniger Menschen.
Wenn wir es verabsäumen, dass auch die Arbeiter Kapital bilden und am Wohlstand teilhaben können, dann haben wir große Probleme. Und diese Probleme sind in Europa noch viel größer als in den USA. Auch die Steuergesetze sind ein Problem, sie haben einen großen Einfluss darauf, ob die Wirtschaft funktioniert oder stagniert. Mit unseren Steuergesetzen kennt sich niemand aus. Als Beispiel habe ich einige Paragraphen aus dem österreichischen Steuerkodex in mein Buch eingebaut. Mitarbeiterbeteiligung und einfache Steuergesetze würden unsere Wirtschaft ankurbeln. Und wenn die Wirtschaft funktioniert, sind auch die
Steuereinnahmen höher, dadurch könnten wir Staatsschulden abbauen. Das sind einige meiner Vorschläge, die ich mit diesem Buch
weitergeben möchte.
F&F: Sie gehen aber weit über wirtschaftliche Fragen hinaus, Sie schreiben von einer idealen Gesellschaft. Was kann man sich darunter vorstellen?
Stronach: Auf welchen Prinzipien baut eine ideale Gesellschaft auf? Man braucht die Grundprinzipien und eine Vorstellung, um die richtigen Bausteine für eine solche Gesellschaft zusammentragen zu können. Punkt 1: Keine Person soll hungrig sein. Das heißt, Menschen haben das Recht, Essen zu bekommen. Punkt 2: Menschen sollen ein Dach über dem Kopf haben. Niemand soll unter einer Brücke schlafen müssen. Und drittens: Menschen haben das Recht auf eine gute Krankenversorgung.
„Ich habe so viele Erfahrungen gemacht und ich möchte diese Erfahrungen weitergeben.“
F&F: Breiten Raum widmen Sie in ihrem Buch auch dem Umweltschutz und der gesunden Ernährung …
Stronach: Ja, ich bin sehr stark in der Agrarwirtschaft tätig. Das hat mehrere Gründe. Wir essen zu viele Chemikalien und es gibt einen alten Spruch: „Man ist, was man isst.“ Auch die Tierhaltung ist zum Teil barbarisch, total barbarisch. Ich habe ein großes Stück Land, eine Farm gekauft. Ganz wichtig ist mir dabei: keine Schmerzen für die Rinder, keinen Stress, keine Hormone, keine Antibiotika, keine gentechnisch veränderten Organismen und nur natürlichste Tierhaltung. Das nennt man Biodiversität, wo wir das natürliche Leben, sei es das der Pflanzen oder das der Tiere hegen und schützen.
F&F: Spiegelt das die Philosophie Ihres Buches wider? Auf dem Buchcover ist ein Pferd aus Bronze zu sehen.
Stronach: Ja, ich habe in der Nähe von Miami eine der größten Bronzeskulpturen der Welt gebaut, ein Pegasus-Pferd und einen Drachen, die miteinander kämpfen. Dieses Monument ist ein Symbol dafür, dass die Menschheit schon immer von guten und bösen Geistern bzw. Kräften beeinflusst wird: Himmel und Hölle, kreativ und zerstörerisch, Ying und Yang. Ich glaube aber, in der Welt passieren mehr gute als schlechte Dinge.
Je weiter man zurückblickt, über Jahrzehnte und Jahrhunderte, desto weiter sehen wir in die Zukunft. Zentrales Element des Universums ist das Equilibrium, die Balance. Die Natur ist ein Wunderwerk. Wenn wir allerdings so weitermachen, haben wir auf der Erde, das hat der vor Kurzem verstorbene Astrophysiker Stephen Hawking prophezeit, nur noch rund hundert Jahre. Ich versuche in meinem Buch Lösungen anzubieten, wie wir Armut verhindern oder wie wir unsere Luft und unser Wasser sauber halten können.
F&F: Blicken Sie positiv in die Zukunft?
Stronach: Wenn wir keine Hoffnung mehr haben würden, dass wir eine bessere Welt gestalten können, das wäre sehr traurig.
Hoffnung ist das Wichtigste und der menschliche Geist ist sehr innovativ. Der menschliche Geist hat die Fähigkeit, die Menschheit auf eine höhere Ebene zu führen, aber auch in den Abgrund.
F&F: Ist Ihr Buch an eine bestimmte Gruppe gerichtet?
Stronach: Nein. Ich habe mit meiner Firma in einer Garage begonnen und daraus ein Unternehmen mit 150.000 Beschäftigten gemacht. Ich habe zwei Firmen, die in ihrem Bereich auf dem Weltmarkt führend sind, aufgebaut. Und ich war im Laufe der Zeit in vielen Aufsichtsräten in Universitäten, Banken, Spitälern und Sozialorganisationen. Ich habe so viele Erfahrungen gemacht und ich möchte diese Erfahrungen weitergeben. In diesem Buch analysiere ich den Ist-Zustand der Welt, die vielen großen Probleme; und
versuche Lösung anzubieten.
F&F: Wie ist der Ist-Zustand der westlichen Gesellschaft, wo befinden wir uns?
Stronach: In Europa ist es vielleicht fünf Minuten nach zwölf, in Amerika 15 Minuten vor zwölf. Aber wichtig ist, dass Lösungen vorhanden sind. Das Schlimmste wäre, wenn es keine Lösungen gibt. Unsere jungen Leute haben ein großes Problem, die ältere Generation hinterlässt ihnen einen großen Schuldenberg. Wir müssen darüber nachdenken, wie können wir das Land wieder neu aufbauen. Das Buch ist ein Wegweiser auch für die Jugend.
„Wir müssen darüber nachdenken, wie können wir das Land wieder neu aufbauen. Das Buch ist ein Wegweiser auch für die Jugend.“
F&F: Wie schätzen Sie die junge bzw. kommende Generation ein?
Stronach: Wir müssen unserer Jugend mehr praktische Dinge lernen. Ich möchte darauf hinweisen, meine besten Manager haben zuerst einmal gearbeitet, bis sie genug Geld gespart haben, dann sind sie erst auf die Universität gegangen. Man sollte der Jugend die Möglichkeit geben, dass sie ins Berufsleben hineinschnuppern kann: Was liegt mir, was will ich gerne machen? Wichtig ist: Wenn man etwas gerne tut, dann wird man gut. Und wenn man noch einen besonderen Einsatz hat, dann kann man der oder die Beste sein. Das muss verstanden werden. Wir geben wahnsinnige Summen für Universitäten aus, wo man alles Mögliche lernt, was man eigentlich gar nicht braucht. Ich sehe die Zukunft in kleinen Universitäten, die sich darauf spezialisieren, wie man unser Leben verbessern kann.
F&F: Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?
Stronach: Neben meinen Unternehmen habe ich mich auch im Sozialbereich betätigt. Ich wollte eine Ahnung davon bekommen,
welche Probleme haben Spitäler, welche Probleme haben Universitäten, welche Probleme haben Sozialorganisationen. Ich habe versucht, da ein Verständnis aufzubauen. Das braucht viele Jahre. Und ich habe mir viele Notizen gemacht. Man muss laufend darüber nachdenken, wie kann man etwas besser machen, wie kann man Gutes tun.
F&F: Was ist die Kernbotschaft des Buches?
Stronach: Mein Ratschlag ist: Fokussiere auf den heutigen Tag, damit du überlebst, aber lasse die Türe offen für morgen und folge deinen Träumen und lasse dich von deinem Gewissen leiten.
F&F: Das klingt sehr einfach.
Stronach: Einfach, ja. Das Problem mit den meisten Leuten ist, sie machen alles so kompliziert. Ich versuche, alles zu vereinfachen.
Frank Stronach
Die Frage aller Fragen
Woher kommen wir, wohin gehen wir?
224 Seiten, € 19,90
Verlag Frank&Frei
ISBN: 978-3-90323-613-4
HIER geht’s zum Buch!
Frank Stronachs Konzept des fairen Wirtschaftssystems
Um den Prozess von einem freien Wirtschaftssystem hin zur Staatswirtschaft zu stoppen, müssen mehr Unternehmer ihre Gewinne und ihr Kapital mit ihren Mitarbeitern teilen, damit diese ebenfalls Kapital akkumulieren können. Durch verschiedene Steueranreize und -modelle können Unternehmer dazu bewogen werden, eine größere Zahl an Menschen der Vermögensbildung teilhaben zu lassen.
Essentiell für das faire Wirtschaftssystem ist, dass die Menschenrechte gestärkt und durch eine Wirtschaftsrechtsverfassung erweitert werden, die das Grundrecht der Arbeiter auf Vermögensbildung durch die Beteiligung an Gewinn und Kapital festschreibt. Solche Wirtschaftsrechtsverfassungen führen zu ökonomischen Demokratien, die wiederum die Basis und Voraussetzung für die Demokratie an sich sind.
FRANK STRONACH
Neben seinen wirtschaftlichen Aktivitäten war und ist er in zahlreichen akademischen, staatlichen und unternehmerischen Gremien tätig, er unterstützt und fördert wohltätige Einrichtungen. Für seine Leistungen wurde Frank Stronach in den USA, Kanada, Israel und Österreich mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem mit dem Ehrenprofessor der Technischen Universität Graz, mit dem „Doktor der Wirtschaftswissenschaft h.c.“ der St. Mary’s University Halifax oder dem „Goldenen Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich“.
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