Der Abend zur deutschen Bundestagswahl wird in Erinnerung bleiben. Auch wenn das Duell der beiden Altparteien um den ersten Platz für alle Experten und jene, die sich als solche wähnen, schon lange vor dem Urnengang entschieden war.
Die Prognose hat sich bestätigt: Schwarzlinks gewinnt gegen Rotlinks. Und damit ist klar: Nun ist Schluss ist mit Schulz, auch wenn er vorerst einmal Parteivorsitzender bleiben möchte. Der allzu kurze Frühling des sozialdemokratischen Herausforderers war schon früh ein Indiz dafür, dass der Ex-Präsident des Europäischen Parlaments in keinem Augenblick eine echte Alternative zu Merkels Wachkoma-Politik sein konnte. Nun haben die Wähler schriftlich festgehalten, dass der kurze rote Höhenflug nicht mehr war als eine projizierte Hoffnung auf Änderung.
Der Mann aus Würselen ohne wirkliches Profil hat sich nach seiner Nominierung geweigert, Kabinettsmitglied zu werden, um im Wahlkampf genügend Freiraum zu haben. Geholfen hat alles nichts. Nicht einmal seine höchst innovative Strategie, auf Umverteilung und Gerechtigkeit zu setzen, Merkel als ungerecht darzustellen. Außer grobe Fehleinschätzungen, fehlende Antworten auf aktuelle Fragen und ein paar verbale, samtpfotene Seitenhiebe Richtung CDU-Mutter hatte Schulz nicht viel zu bieten. Gerade noch die 20-Prozent-Marke knackend, führt er die Sozialdemokratie in ein Allzeit-Tief. Auch wenn bestürzt und betrübt blickende Genossen im Moment der Katastrophe darauf hinweisen, die Person Schulz habe nichts damit zu tun, dass die SPD zum dritten Mal in Folge bei Bundestagswahlen verliere. Martin Schulz selbst konstatiert, dass nur der Gang in die Opposition der einzig richtige Weg sei. Immerhin dürfe man der AfD auf keinen Fall die Rolle der Oppositionsführung überlassen. Sehr schnell hat die Sozialdemokratie eine Existenzlegitimation für die kommenden Jahre gefunden und die Schuldfrage in den Raum geworfen, die seitdem auf- und abdiskutiert wird. Der Schuldgesang schwillt wieder an. Im Westen nichts Neues.
Trotz der vielen Mainstream-Appelle, nicht die AfD zu wählen, sondern eine Partei, die sich nicht durch Neonazismus auszeichnet, hat die AfD quasi aus dem Stand den dritten Platz erreicht. Auf der moralischen Hochebene herrscht seitdem Pogromstimmung. Die Verdammten, vornehmlich aus dem Osten, hätten grundlegend dazu beitragen, dass die AfD bundesweit so stark werden konnte. Sekunden nach der ersten Hochrechnung standen sich die Vertreter der Regierungsparteien plan-los gegenüber und fragten sich, wie es passieren konnte, dass Rechtsextreme in den Bundestag einziehen würden. Laut den Grünen sei es nicht nachvollziehbar, dass sich so viele Rechtsradikale in Deutschland tummeln würden. Nun ziehe der plumpe Rassismus in Fraktionsstärke in den Bundestag ein, so der kleinlaute Totalverlierer Schulz. Das gemeinsame Feindbild der fünf sittlich überlegenen Parteien hat sich zwar schon vor dem Urnengang formiert, das unvermutet starke Abschneiden der AfD eint sie aber einmal mehr in antifaschistischem Gruppenkuscheln.
Während sich die kommentierende Klasse ob des schwarzen Lochs, das sich hinter Merkel auftut, besorgt zeigt, wirkt die CDU-Chefin unbeschwert, beinahe zufrieden. Es hätte ja auch alles noch schlimmer kommen können. Den Vorwurf, sie sei die Mutter der AfD, nimmt sie mit einem leeren Lächeln. Zumindest habe die Union die strategischen Ziele erreicht. Man gehe als Erster aus der Wahl hervor und niemand könne ohne die CDU regieren. Das stimmt. Ein Cordon sanitaire hat sich um Merkel gelegt, das Land und seine Wähler dämmern im Wohlgefühl des Wohlstands weiter vor sich hin. Merkel, das Chamäleon der Macht, wird sich wieder farblich an ihre Umgebung anpassen.